Schreiben und recherchieren in Rio — ein Interview
Was hat dich dazu inspiriert ein Buch zu schreiben, dass teilweise in Rio de Janeiro spielt?
In 2011 hat mir eine ‚spirituelle‘ Freundin erzählt, das ich sehr kürzlich nach Brasilien reisen würde — und ich habe nur gelacht! Aber seltsamerweise, gleich am nächsten Morgen, hat mein Agent mir mitgeteilt, dass der brasilianischer Verlag Novo Conceito gerade eben zwei meiner ersten Bücher gekauft hat, ‚Das Orchideenhaus‘ und ‚Das Mädchen auf den Klippen‘. Ich muss zugeben, es war ein arger Zufall.
Ich habe Fernando Barrachini, der Besitzer von Novo Conceito, eine Email geschickt um mich zu bedanken. Er fragte mich dann, ob ich gerne nach Brasilien reisen würde für das berühmte Bienal do Livro Buchfest im nächsten Jahr. Seitdem mir schon gesagt wurde, dass es mein Schicksal war nach Brasilien zu reisen, musste ich natürlich ‚Ja‘ sagen!
Zum Glück haben brasilianische Leser meine Bücher sehr gut empfangen, und als ich in São Paulo in 2012 für die Bienal angekommen bin, war ich völlig überwältigt bei der Reaktion. Hunderte Fans waren da um mich Willkommen zu heißen. Von São Paulo aus bin ich nach Curitiba geflogen, und von da, weiter nach Rio. Überall wo ich hingang, waren alle meine Leser so fantastisch und haben mich voll unterstützt. Als ich in Rio ankam, wusste ich schon, dass ich mich völlig in Brasilien und ihre Menschen verliebt habe. Die umwerfende Schönheit und Offenheit der Landschaft und der Leute ist etwas sehr einzigartiges. Und es passt sehr gut zu meiner eigenen ‚Seele‘.
Und Rio… als ich vom Flughafen in die Stadt fuhr, nach vielen Reisetagen in Brasilien, und ich diese ikonische weiße Statue des Cristo Redentor (Christus, der Erlöser) zum ersten Mal sah, so wunderschön auf dem Berg belichtet… ich spürte Tränen in meinen Augen. Es ist schwierig meine genaue Reaktion zu beschreiben, all diese tiefen emotionalen Gefühle — es war ein großer Moment. Ich verstand seine Magie.
Als internationaler Autor, bin ich schon zu so vielen Ländern gereist, aber es ist sehr aussergewöhnlich, dass ich das Gefühl habe, dass ich unbedingt über einen Ort schreiben MUSS. Aber an diesen ersten Morgen, als ich in Rio erwachte und aus meinen Fenster schaute, und sah wie die atlantischen Wellen auf den Ipanema Strand krachten… ich wusste genau, dass ich über Brasilien schreiben musste. Also fand ich eine Reiseführerin, Suzana Perl, und mit ihr bin ich auf eine fantastische kulturelle und historische dreitägige Tour gegangen. Als wir um die Stadt reisten, gingen wir zu dem alten Parlamentsgebäude and ich sah die Kaffeebohnen die in den Bodenfliesen und über den Türen eingraviert waren. Ich lernte, dass die ‚Kaffee Baronen‘, durch ihren Reichtum, früher große Macht hielten über die Regierung, und wie der Wall Street Crash in 1929 zu der furchtbaren Depression führte, und dem beinahen Bankrott des Landes. Ich fand heraus, dass die Cristo Statue in der Zeit der ‚Belle Epoque‘ in den 1920ern, vor der Depression, gebaut wurde, und ich wollte das ein Teil meiner Geschichte machen. Suzana zeigte mir auch ein bezauberndes altes Haus in dem Cosmo Velho Stadtteil. Das Haus war zwar verlassen und am verfallen, aber ich konnte sehen wir atemberaubend es vor 90 Jahren gewesen sein muss.
Ich verliess Brasilien, mit all diesen wertvollen Erinnerungen gewappnet, und ich wusste, dass ich denAnfang eines neuen Buchs hatte.
Wie hast du mit deiner historischen Recherche angefangen, und was fandest du am interessantesten?
Ich habe alle Bücher gekauft die ich finden konnte, über Brasilien in den 1920ern (und es gab nur wenig auf Englisch!), und auch über die Konstruktion des Cristos, und Paul Landowskis Arbeit daran. Ich las Landowskis Biographie auf französisch. Ich hatte aber noch viele ungeklärte Fragen also ich nach Rio zurückkehrte für meine zweite Forschungsreise. Für einen Monat wohnte ich in einer hübschen Wohnung mit einer Dachterrasse, die den Ipanema Strand überschaute. Ich hatte schon die Inspiration für die ‚sieben Schwestern‘ Serie gehabt, und ich wusste schon, dass das erste Buch, Maias Geschichte, sehr wichtig sein würde um all die modernen Figuren und auch die Grundstruktur der Serie zu etablieren. Also wusste ich, dass ich hart daran arbeiten müsste um Maias Geschichte in der ‚Gegenwart‘ mit der Geschichte der ‚Vergangenheit‘ zusammen zu flechten. Normalerweise, wenn ich einen historischen Zeitraum recherchiere, kann ich die richtigen ‚Details‘ auf Englisch in verschiedenen Bücher und im Internet finden, aber Brasiliens Geschichte scheint nicht so sehr dokumentiert zu sein, zumindest im englischen Sprachraums ausserhalb Brasilien. Und es gab besonders wenig Information über die Errichtung des Cristos zu finden.
Dann hat das Schicksal wieder übernommen, und ich traf Bel Noronha, meine Nachbarin in Ipanema. Erstaunlicherweise, war sie die Urenkelin von Heitor da Silva Costa, der Ingenieur und Architekt, der die Errichtung der Statue am meisten getrieben hat. Wir sind seitdem sehr gut befreundet wurden, und sie ist die allerbeste Informationsquelle gewesen für manche Teile des ersten Buchs in der ‚sieben Schwestern‘ Serie. Sie konnte mir die WAHRE Geschichte der Cristo Vision ihres Urgroßvaters erzählen — und diese Geschichte scheint sehr viele verschiedene Versionen zu haben in Brasilien. Ich hatte einen Schock, als ich hörte, dass viele Leute in Rio immer noch glauben, dass die Statue ein Geschenk von Frankreich war!
Ich fragte Bel um Erlaubnis um Heitor und seine Familie wieder mit Leben erfüllen zu können, und — mit Hilfe echter Auszüge aus seinem Tagebuch, was sie mir lieberweise geliehen hatte — seine Rolle in dem Cristo Projekt in der Zeit 1925-31 in eine Geschichte zu verwandeln. Zum Glück hat sie mich genug vertraut um ja zu sagen. Bels Hilfe in meiner Recherche hat die Geschichte unglaublich angereichert.
Wie hast du die Handlung und die Figuren entwickelt?
Ich fing an zu schreiben nach dem ich so viel Recherche wie möglich gemacht hatte, und ich sass am liebsten auf meiner Dachterrasse in Ipanema, mit dem Cristo hinter mir und den wundervollen Ipanema Strand vor mir. Glücklicherweise hat mich eine Freundin eingeladen in ihrer schönen Fazenda in den Bergen zu bleiben. Die Fazenda wurde in 1820 gebaut, hatte den schönsten Ausblick, und auch den Frieden den ich brauchte (ohne die vielen Ablenkungen in Rio). So viele Ideen kamen zu mir und die Geschichte hat sich sehr schnell entwickelt. In der ‚Gegenwart‘ bekommt die Hauptfigur, ‚Maia‘, mysteriöse Schlüssel zu ihrer bisher unbekannten Vorgeschichte, als ihr Vater stirbt —der enigmatische Milliardär, der von seinen sechs Adoptivtöchtern ‚Pa Salt‘ genannt wird. Sie reist nach Brasilien um ihre lang verlorene Familie zu finden. In der ‚Vergangenheit‘ ist Izabela Bonifacio, eine wunderschöne junge Frau, dessen reichen Vater, Antonio, von einer italienischen Einwanderer Familie in São Paulo stammt. Als die Familie nach Rio zieht um Antonios Traum von sozialen Aufstieg zu verwirklichen, fängt sich an Izabelas leben in vielen weisen zu ändern.
Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass ‚Die sieben Schwestern‘ nicht ein Geschichtsbuch ist — es ist eine große, schweifende Liebesgeschichte, die Leser auf eine emotionale Reise nimmt, mit zwei Frauen die zufällig von verschiedenen Zeiten kommen. Ich benutze wahre historische Fakten nur wenn es meiner Handlung am besten passt! Wenn meine Leser überall auf der Welt von meinen Geschichten etwas lernen, dann ist das super, aber ich will hauptsächlich, dass sie einfach meine Geschichte genießen.
Ausser den Dingen die du über Rio geliebt hast, fandest du auch manche Aspekte negativ?
Es hat mich fasziniert, dass in Brasilien die Sklaverei erst in 1888 abgeschafft wurde, und natürlich auch, dass die Große Depression in den 1930ern solch furchtbare Armut im Land verursacht hat. Ich habe auch eine Favela besucht, um selber diese Entbehrung zu sehen und auch diese unglaubliche Lebendigkeit und Seele der Leute die dort wohnen. Es gab eine Favela direkt hinter meiner Wohnung in Ipanema und ich verstand nun, dass es einfach wie ein großes Dorf war wo Leute wohnten und arbeiten und ihre Leben lebten. Ich habe gerne die Drachenflieger zugeguckt und die Trommeln in der Nacht gehört. Was mir am meisten aufgefallen ist in Rio, war der tiefe Kluft zwischen Arm und Reich, nicht nur finanziell gesehen, aber auch in der Art wie die Armen weit getrennt von den Reichen wohnten, in ihren eigenen Favelas. In vielen der Ländern durch die ich gereist habe, gibt es eine größere Mischung von Reich und Arm. Was Gewalt und Kriminalität betrifft, ich bin sicher, dass es sie auch in Rio gibt, aber ich habe mit Absicht nicht darüber geschrieben. Meine Bücher sind eskapistisch und tendieren immer auf die positiven Seiten der menschlichen Natur sich zu konzentrieren, nicht auf die negativen Seiten. Ich glaube sehr an die Güte in Menschen und, am allermeisten, dass jeder Erlösung finden kann, wenn er nur danach wünscht.
Und ich muss auch sagen, als eine Frau die alleine in Rio gewohnt hat für einen Monat, bin ich nachts öfters durch die Stadt gelaufen um einzukaufen oder essen zu gehen, und ich habe mich nie beängstigt oder in Gefahr gefühlt. Internationale Medien zeigen öfters ein verzerrtes Bild von Rio. Ich verstehe schon, dass ich in einem ‚guten‘ Stadtteil wohnte, aber ich wohne immerhin auch in einem ‚guten‘ Stadtteil in London, und mir ist dort trotzdem meine Handtasche gestohlen worden. Ich glaube jede Großstadt hat ihre Probleme.
Wie hast du die Klischees die mit Brasilien assoziiert sind vermieden, wie, zum Beispiel, schöne Samba Tänzerinnen beim Karneval und all die aussergewöhnlich guten Fußballspieler?
Ich versuche immer Klischees zu vermeiden, wie zum Beispiel, das ‚Gesicht‘ des Landes, dass den Rest der Welt präsentiert wird. Ich schreibe am liebsten über die wahren Leute die dort wohnen. Als ich in Ipanema in meiner Wohnung lebte für einen Monat, fühlte ich mich als ein Teil des Alltagslebens in Rio. Ich bin in Märkten und Supermärkten einkaufen gegangen, ich habe in verschiedenen Stammlokalen (nicht für Touristen) echtes brasilianisches Essen genossen, was ich liebte, und versuchte auch mein schlechtes Portugiesisch zu verbessern. Ich habe leider niemand in der Straße Samba tanzen gesehen, obwohl ich das geliebt hätte! Und ich interessiere mich überhaupt nicht für Fußball! Ich wollte aber doch über zwei andere Sachen schreiben, für die Brasilien bekannt ist — die atemberaubend schöne Landschaften und die Wärme der Brasilianer. Durch Unterhaltungen mit normalen Leuten, formte ich ein Bild von was für Menschen die Cariocas — die einheimischen Leute Rios — sind. Indem ich in der Stadt wohnte, konnte ich auch die Atmosphäre erleben, und auch über ihre Geschichte lernen. Ich weiß, dass ich dieses Buch ohne dies nicht schreiben hätte können. Ich hoffe nur, dass ich Brasilien, ihre Leute und ihre Kultur, gerecht geworden bin.
Was ist das wichtigste, dass du von Rio wegnehmen wirst?
Mein überwältigender Eindruck, dass Rio DIE schönste Stadt der Welt ist, meiner Meinung nach. Jeder der dort permanent wohnt, hat unglaublich viel Glück. Es hat einfach alles — ein tolles Klima, wunderschöne Strände, und Berge (die einen ergreifenden Anblick gewähren, jeden Abend wenn die Sonne hinter ihnen untergeht). Und auch die Cariocas selber, die so warm und offen waren, und meine Fragen alle so hilfreich beantwortet haben. Es war eine große Ehre, für einen kurzen Monat eine ‚adoptierte‘ Carioca sein zu dürfen. Oh, and ich habe auch einen ganzen Koffer Havaianas nachhause gebracht, für all meine Freunde und Familie!